Kein Burgfrieden in Eisenach!
DEMONSTRATION | 24. Mai | 20 Uhr | Hauptbahnhof Eisenach
![]() Burschen, die sich selbst scheinbar ins politische Aus manövrierten, mit der Diskussion um den „Arierparagraphen“, Naziverherrlichung und last but not least einer Spaltung, welche nur noch die reaktionärsten der reaktionären Kräfte im Dachverband beließ – getrost kann heute von der Deutschen Burschenschaft als einem faschistischen Haufen gesprochen werden. Schließlich die Wahl einer neuen Oberbürgermeisterin, die eigentlich eine Abschaffung des Burschentages in Eisenach hätte nach sich ziehen sollen, hatte sich doch die Linkspartei in Thüringen bereits in den Jahren zuvor gegen das alljährliche Treffen der DB ausgesprochen. Doch auf Eisenach und seine Bürger_innen ist verlass: Auch dieses Jahr findet wie gewohnt der Burschentag der DB an heiliger Stätte im Zeichen von Wartburg und Burschenschaftsdenkmal statt. Denn er ist eng mit dem touristisch vermarkteten Selbstverständnis Eisenachs und dessen besonderer Verankerung im deutsch-nationalen Mythos verknüpft. Die Wartburg – ein deutscher MythosSo ist die Wartburg Pilgerort stolzer Deutscher und Pflichtprogrammpunkt für Tourist_innen aus aller Welt. Wer auf den Felsen kraxelt – und das sind pro Jahr immerhin knapp 400.000 Leute –, tut dies auf der Suche nach „deutschem Geist“ und deutscher Geschichte. Und wozu das Ganze? Die Nation braucht Mythen. Sonst könnte sie die Sehnsucht des bürgerlichen Subjekts danach, in der Gemeinschaft aufgehoben zu sein, nicht bedienen. Erst die Mythen machen aus der banalen Burg und ihrer Geschichte etwas Erhabenes und appellieren ans Gefühl. Über der Stadt Eisenach und dem Thüringer Wald thronend gilt die Wartburg als Wahrzeichen „deutschen Schöpfergeistes“. Nachdem Luther dort im 16. Jahrhundert die Bibel ins Deutsche übersetzte, versammelten sich 1817 deutschtümelnde Studenten, um zwei Jahrestage zu begehen: den vier Jahre zuvor errungenen Sieg über Napoleon in der „Völkerschlacht“ bei Leipzig sowie den 300. Jahrestag des Luther‘schen Thesenanschlags. Um die Marschrichtung des deutschen Nationalbewusstseins komplett zu machen, verbrannten sie in antifranzösischer und antisemitischer Absicht den Code Civil und Schriften jüdischer Autoren. So ging diese deutsche Nationalbewegung von Anfang an mit einem virulenten Antisemitismus einher. Und so ist die Burg den national Bewegten Symbol des Widerstands gegen „kulturelle Fremdherrschaft“ und des Strebens nach der Einheit Deutschlands. Die romantische Sehnsucht nach Deutschtum, die verklärende Mittelaltereuphorie und die zahlreichen Legenden, die im 19. Jahrhundert erfunden wurden, taten ihr Übriges, um der Konstruktion der Nation den Anstrich von Ewigkeit und Natürlichkeit zu geben. Burgen bauen, Farben tragen, Fackelmarsch – wozu der Aufwand?Nicht nur als Garantin der Ewigkeit ist die Natur gut, sondern sie appelliert als Sehnsuchtsort etwa in Gestalt des dampfenden Thüringer Waldes ans Gefühl: Tränen der Ergriffenheit, Liebe und Aufopferung, der Wald als Trost und Versicherung der Nation. Diese ist dem bürgerlichen Subjekt, das sich vor dem Druck von kapitalistischer Konkurrenz und staatlichen Pflichten in einen kollektiven Kuschelort flüchtet, immer Kitt. Für die Burschenschafter, selbst spezifisches Produkt des völkischen deutschen Nationalismus, ist sie außerdem Daseinsberechtigung und entspricht der Idee einer festen Zusammengehörigkeit unter Männern. Ihre Liebe heften Burschenschafter an die vermeintlich ewige Gemeinschaft, an Germania und ihre Bünde. Im heterosexistischen Männerbund lassen sich die Gefühle gefahrlos ausleben: Ohne als verweichlicht zu gelten, kann der Bursche auch schon mal ein Tränchen verdrücken, beim Anblick der stolzen Burg, des heimatlichen Waldes und der burschenschaftlichen Inszenierung deutscher Mythen. Deutsche Mythen auf den Müllhaufen der Geschichte! |